Wandern & Genießen – einsame Wege durch das fast vergessene Valle Maira im Piemont

Datum:

02.-09.06..2024

Autor:

Stephan Voss

Fotos:

Christine & Harald
Tourenleiter:

Christine & Harald Groß

Tour:

2024 – T – 13


Christine und Harald ist es bei ihren Touren immer wichtig, Gebiete und Wege weitab vom alpinen Massentourismus zu finden. Mit dem Valle Maira im Piemont hatten die beiden mal wieder einen Volltreffer gelandet. Touristisch ist diese auch heute noch nur sehr dünn besiedelte Region wenig erschlossen. Das knapp 60 Kilometer lange Tal ist von zahlreichen verlassenen Höfen geprägt und zählt auch heute noch nur knapp über 20.000 Einwohner. Für Wander- und Kletterliebhaber sowie  Mountainbiker ist es ein wirkliches Paradies mit zahlreichen Möglichkeiten.

Als Unterkunft diente uns eine liebevoll über mehrere Jahre restaurierte alte Hofanlage, die auf 1.600 Meter liegende Borgata Sagna Rotonda. Eine vierköpfige Familie betreibt hier seit einigen Jahren mehrere Apartments und Ferienwohnungen. Sogar eine Sauna stand uns zur Verfügung.

Weite Anfahrt, herzlicher Empfang

Unsere Tour startete mit zwei Kleinbussen von Heilsbronn und Herrieden aus. Über die Schweiz und Liechtenstein ging es nach Italien und weiter über Mailand und Turin. In Fossano verließen wir schließlich die Autobahn und fuhren weiter über Dronero nach Marmora. Die zuvor schon enge Straße verdichtete sich ab hier noch weiter zu einer Schotterpiste, die Fahrern und Fahrzeugen nach der mehrstündigen Fahrt nochmal alles abverlangten. Endlich am Zielort angekommen, stand unsere Gastfamilie schon zum Empfang bereit. Wir konnten allerdings zunächst wegen eines kräftigen Hagelschauers die Busse nicht verlassen. Kurze Zeit später schien allerdings schon wieder die Sonne und der Wind brachte diesmal nicht die Alpenvereinsfahne, sondern die rot-gelbe Fahne Okzitaniens vor unserer Unterkunft zum Wehen.

Von dem freundlichen Empfang und den Zimmern waren wir alle sofort begeistert. Auch das reichhaltige regional geprägte Abendessen stimmte uns mehr als positiv auf die kommenden Tage ein.

Am Montag zeigte sich das Improvisationstalent unserer Tourenleitung. Eigentlich hatten wir den Großteil unserer Touren direkt zu Fuß von unserer Unterkunft aus starten wollen. Jedoch machte uns der hier in diesem Jahr sehr hartnäckige Winter einen kleinen Strich durch die Rechnung. Auf manchen Wegen lag einfach noch zu viel Schnee. Kein wirkliches Problem, wenn man sich dann in einer Gegend mit einer riesigen Auswahl an Tourenmöglichkeiten befindet. Trotzdem bedeutete das wegen der neuen Planung eine kurze Nacht für Christine und Harald.

Den ersten Tag starteten wir dann aber zunächst doch direkt von der Haustür aus. Unser Ziel war heute der 2111 Meter hohe „Monte Buch“. Zu lesen gab es hier auf dem Gipfel zwar nur wenig, aber trotzdem sollte der Begriff „Buch“ später am Tag noch eine zusätzliche Bedeutung bekommen. Der Weg führte uns durch eine sanfte Almlandschaft mit idyllischen Bergwiesen, die sich jetzt im Frühsommer in ein wahres Blumenmeer verwandelt hatten. Bis hinauf in die alpine Zone wurden wir von Polsterpflanzen und Wiesenenzianen begleitet. Nach mehreren kurzen Trinkpausen erreichten wir den Colle Intersile auf 2.026 Meter, wo wir eine längere Rast einlegten. Weiter ging es über die Costa Chiggia (2.158 Meter) zu unserem Zielgipfel. Das gute Wetter bescherte uns immer wieder großartige Aussichten auf die umliegende Bergwelt und bis zur Gardetta oberhalb von Preit. Auch der Rückweg verlief gemächlich und ruhig. Wieder in Marmora angekommen trennte sich unsere Gruppe.

Besuch in der wohl höchstgelegenen Bibliothek Italiens

Die einen marschierten direkt zurück zu unserem Quartier, um noch die Sauna zu testen. Die anderen kehrten auf einen Cappuccino in die Räumlichkeiten des Vereins „Luoghi di Passagio“ ein. Dieser Verein verwaltet und bewacht auf 1.580 Metern den Nachlass des Benediktinermönchs Pater Sergio de Piccoli, der aus 62.500 Büchern besteht. Wahrscheinlich befanden wir uns hier in der höchstgelegenen Bibliothek Italiens. Der Ausklang dieses sehr schönen Tages erfolgte wieder mit einem sehr schmackhaften gemeinsamen Abendessen. Zu später Stunde zeigten noch die Sängerinnen und Sänger unter uns ihr Können. Kurz war die Gründung eines DAV-Chores im Gespräch. Leider konnten wir uns jedoch nicht auf eine Stilrichtung einigen und so muss der Chor wohl weiter auf seine Gründung hoffen. 

Wandern auf alten Maultierpfaden

Der Dienstag startete für alle Interessierten um 7:30 Uhr mit einer Qi-Gong-Einheit bei unserer Heidi.

Nach dem Frühstück fuhren wir dann nach Acceglio. Hier wanderten wir vom Hauptort aus auf alten Maultierpfaden durch das Tal des Torrente Maira, den wir in dem kleinen Örtchen Pontemaira überquerten. Weiter ging es über schöne Bergpfade bis zu einem kleinen See, an dem wir unsere Mittagspause einlegten. Der Abstieg erfolgte vorbei am grünlichblau schimmernden Lago Saretto. In Saretto kehrten wir in eine gemütliche kleine Taverne ein und stärkten uns mit Kaffee und Eis für den weiteren Weg. Beim Aufbruch zogen schon erste dunkle Wolken auf. Als wir schon wieder kurz vor Pontemaira waren, öffnete der Himmel seine Schleusen und gab uns die Gelegenheit, die mitgeschleppte Regenkleidung auszupacken undar anzuziehen. Das Wetter wurde dann aber so ungemütlich, dass Christine und Harald im Ort angekommen einen Handwerker fanden, der beide zurück zu unseren Bussen fuhr. Die letzte Etappe unserer Strecke konnten wir so wieder im gut klimatisierten Bus zurücklegen.

Kunst, Natur und Kulinarik

Auch der Mittwoch startete mit sehr sonnigem Wetter und sollte uns heute nach Elva auf 1.637 Metern führen. Zunächst durchstreiften wir den kleinen romantischen Ort und besuchten die spätromanische Pfarrkirche. Hier konnten wir die aus dem Ende des 15. Jahrhunderts stammenden Fresken des flämischen Malers Hans Clemer bewundern. Die anschließende Wanderung führte uns dann wieder durch die blumenreiche Landschaft, vorbei an kleinen Bächen und verlassenen Höfen hinauf zum Fremo Cuncuna (hockende Frau) einem Felssporn, der über dem Seitental Vallone di Elva auskragt und eine atemberaubende Aussicht auf das Tal und die umliegende Berglandschaft bietet. Hier konnten wir einige äußerst effektvolle Gruppenfotos schießen, bevor es nach kurzer Rast an den Rückweg ging. Wieder in Elva angekommen, genossen wir wiederum die italienische Gastlichkeit bei Cappuccino und kaltem Bier.

Umwanderung des Rocca Castello  

Der Donnerstag führte uns tiefer in das Tal hinter Acceglio, welches wir am Dienstag schon erwandert hatten. Heute fuhren wir jedoch weiter bis Chiappera, dem letzten kleinen Weiler des Mairatals. Das Tal wird hier von den Zwillingsfelsen Rocca Provenzale und Rocca Castello dominiert. Den Rocca Castello wollten wir heute umwandern. Vom Dorf aus steigt der Weg sanft, aber stetig an. Es geht vorbei an Kuhwiesen und Steinterrassen hinauf auf den Pass Colle Greguri (auf 2.310 Metern), der von einem alten Weltkriegsbunker und einer Steinbock-Familie beherrscht wird. In der Sonne ließ sich hier wunderbar rasten und die umgebende Natur genießen. Nebenbei konnten wir noch die waghalsigen Künste der im Felsen hängenden Kletterer bewundern. Nach der Pause ging es wieder sanft bergab durch einen malerischen Talkessel und begleitet vom Wildbach Maurin. Auf den letzten Metern zum Dorf meinte der Himmel uns mal wieder eine kleine Abkühlung gönnen zu müssen. Ein bisschen nass aber wiederum voll von jeder Menge schöner Eindrücke erreichten wir unsere Busse.

Nur Deutsche bestellen nach 11 Uhr noch Cappuccino

Unsere vorletzte Wanderung am Freitag startete nochmal ohne Busse direkt von unserer Unterkunft aus. An den unsere Unterkunft umgebenden Hängen wollten wir auf alten Esel- und Maultierpfaden den kleinen Hauptort Marmora umwandern. Viele Höhenmeter waren nicht zu bewältigen, aber die Sonne setzte uns gerade in den Nachmittagsstunden doch kräftig zu. Zunächst galt es aber immer wieder neue und einzigartie Aussichten auf Blumenwiesen und kleine Gehöfte zu genießen, bevor wir gegen Mittag am tiefsten Punkt unserer Wanderung den Campingplatz Lou Dahu (auf Deutsch Wolpertinger) auf 1.200 Metern erreichten. Hier outeten wir uns gleich als deutsche Touristen, denn niemand sonst bestellt wohl nach 11 Uhr einen Cappuccino. Da es sich bei den beiden Betreibern jedoch um Sandra und Roland, ein deutsches Ehepaar handelte, das vor Jahren schon wegen der großartigen Landschaft von Augsburg kommend ausgewandert war, stellte unser Fauxpas kein Problem dar. Gestärkt machten wir uns nach der Rast wieder an die 400 Meter Aufstieg zu unserer Unterkunft. Am späteren Nachmittag blieb wieder genug Zeit, um vor dem Abendessen noch die Sauna zu genießen.

Musik und Tanz auf der Almwiese zum Ausklang

Am letzten Tag wollten wir schließlich doch noch eine Wanderung bis hinauf zu den letzten Schneeresten wagen. Von der Steinhütte Selvest in der Gemeinde Canosio kommend führte unser Weg bis auf 2.304 Metern zum Lago Nero (Schwarzer See). Vom Parkplatz überquerten wir zunächst eine Holzbrücke über den Rio Preit. Weiter ging es durch Lärchenwälder zu einer malerisch gelegenen Steinhütte mit tollem Blick auf die Rocca la Meja in der Ferne. Nach Überquerung des Passes an der höchsten Stelle unserer heutigen Wanderung mussten wir auf dem Weg hinab zu unserem Ziel ein erstes kleines Schneefeld queren. Der sehr schön gelegene See war auch noch von Restschnee eingefasst. Nach einer kurzen Fotopause und leicht windigem Nieselwetter machten wir uns wieder an den Abstieg. Während unserer Mittagspause zogen die meisten Wolken aber wieder ab und wir konnten unsere Regenkleidung wieder im Rucksack deponieren. Der weitere Rückweg war wieder von schönen Ausblicken und dem Wasserfall aus der Entwässerung des hoch über uns gelegenen Sees geprägt. Auch hier passierten wir wieder einige verlassene Höfe, die nur darauf zu warten schienen aus ihrem Dornröschenschlaf wachgeküsst zu werden. Wieder in unserer Unterkunft angekommen ließen wir den letzten Tag bei Musik und Tanz direkt auf der Almwiese ausklingen. Auf die Gründung einer DAV-Tanzgruppe konnten wir nur schweren Herzens verzichten.

Am Sonntag starteten wir schließlich nach dem Frühstück wieder Richtung Heimat, die wir am frühen Abend erreichten. Eine einzigartige Woche mit sehr vielen schönen neuen Eindrücken ging so zu Ende. Ein herzliches Dankeschön an die Tourenleitung, unsere Fahrerinnen und Fahrer sowie an Heidi für die morgendliche Tageseinstimmung!